Exkursion in die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein

 „Wie wir mit den Schwächsten umgehen, zeigt den Reifegrad unserer Gesellschaft.“ [1] Wir können die Menschen, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen, nicht zurück ins Leben holen, doch wir können sie würdigen, indem wir ihrer gedenken. Ein besonderer Ort des Gedenkens ist die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein. Am Montagmorgen, am 2. März 2020, fuhren die Leistungskurse Geschichte 11 und 12 nach Pirna, an den Ort, an dem „Euthanasie“-Morde der Nationalsozialisten stattfanden.

 

Eingangs hörten wir einen Vortrag über die Geschichte und den Wandel der einstigen Heilstätte Pirna-Sonnenstein. Noch im 18. Jahrhundert wurden geistig behinderte Menschen aus der Gesellschaft ausgeschlossen, oft in sogenannten „Zuchthäusern“ isoliert. Krankheit galt als Gottesstrafe.

Mit der Französischen Revolution änderte sich diese Auffassung, stattdessen gewann die Überzeugung Raum, psychische Erkrankungen sind heilbar. Auf dem „Sonnenstein“ entstand eine vorbildlich geführte und vor allem moderne Heilanstalt. Fortschrittliche Therapien und ein soziales Umfeld sollten möglichst viele Kranke genesen lassen. Eugenik und "Rassenhygiene" entwickelten sich bereits im 19. Jahrhundert. Die eugenische Idee ist ein internationales Phänomen, das auch während der Weimarer Republik weit verbreitet war: ein gründliches Missverständnis der Lehre Charles Darwins von 1871 („The Descent of Men“).

Während des Ersten Weltkriegs und in den Folgejahren litten die Menschen unter Hungersnöten. Nicht wenige sahen die Pflegeanstalt auf dem Sonnenstein als einen Ort, an dem die Menschen rund um die Uhr gut versorgt wurden, während sie selbst hungern mussten. Es wurde verstärkt Propaganda gegen Erbkranke gemacht, sie seien „zu teuer“, hieß es. Als 1928 Paul Nitsche die Pflegeanstalt übernahm, sah er diese eher als ein kommerzielles Unternehmen und sparte massiv an der Nahrung der Patienten. Das Ergebnis: eine erhöhte Sterblichkeitsrate. Adolf Hitler amtierte nicht einmal ein halbes Jahr als Reichskanzler, als er am 14. Juli 1933 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ veranlasste.

Nach dem Vortrag betraten wir den Keller des Gebäudes. Im ersten Raum erinnert eine große Tafel an die Opfer, die hier namentlich aufgeführt sind. Im Nebenraum bekamen wir ein paar Minuten Zeit, um uns einzelnen Schicksalen zu widmen. Jede Altersgruppe war betroffen. So war das jüngste Opfer gerade einmal ein Jahr alt.

Wir betraten die ehemalige Gaskammer, den ehemaligen Leichenraum und das ehemalige Krematorium. Am Elbhang, über den die Nationalsozialisten die Asche der verbrannten Opfer streuten, hörten wir von den (Nicht)Reaktionen der Pirnaer auf das ungeheuerliche Geschehen hoch über ihrer Stadt.

Das Ende unserer Exkursion bildete ein Workshop. In kleinen Schülergruppen bearbeiteten wir verschiedene Themen und stellten die Ergebnisse anschließend der gesamten Gruppe vor. Ich denke, das war für alle Beteiligten ein beklemmender, aber auch lehrreicher Schultag.

Tasnim Malege

Diese Exkursion verdanken wir der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e. V.

[1] Unbekannter Autor: Die Rolle der Ärzte, unter: https://sites.google.com/site/euthanasiestiftung/die-rolle-der-aerzte (05.03.2020).

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Fotos: D. Seichter