„Kindereuthanasie“ – ein Begriff, der tief verstört und der betroffen macht. Er erinnert an ein düsteres Kapitel der Menschheitsgeschichte während der nationalsozialistischen Diktatur: die systematische Ermordung von Kindern mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Im Rahmen des sogenannten „Euthanasie Programms“ wurden zwischen 1939 und 1945 Tausende Kinder, unter den Vorwand, sie seien „lebensunwert“, getötet. „Lebensunwert“ – ein Begriff, der damals wie heute unmenschlich und grausam klingt, der zum Nachdenken anregt.
In der Veranstaltung am Dienstag, dem 19.11.2024, boten uns zwei Studentinnen der WHZ (Fakultät Pflege- und Gesundheitswissenschaften), Una Gotthard und Laura Franziska Lesch, sowie Frau Prof. Dr. Beate Mitzscherlich detaillierte Informationen zu diesem Thema. Unsere Gäste boten uns nicht nur historische Fakten, sondern sie führten uns auch vor Augen, warum es wichtig ist, diese Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Der Vortrag gab uns die Gelegenheit, das Schicksal der Opfer zu würdigen und Lehren aus der Geschichte zu ziehen.
Eingangs erhielten wir einen Überblick über grundlegende Begriffe und Zahlen, welche die Verbrechen der nationalsozialistischen „Euthanasie-Programme“ dokumentieren. Insgesamt waren 600.000 Menschen betroffen, von denen 200.000 ihr Leben verloren. Wir erfuhren, dass der Begriff „Zwangssterilisation“ die erzwungene Unfruchtbarmachung von Menschen bezeichnet, welche sich diesem Eingriff nicht freiwillig unterzogen hatten. Der Begriff „Euthanasie“ (griech. „guter Tod“) beschreibt die systematische Ermordung von Menschen, welche aufgrund von Erbkrankheiten oder Behinderungen für die Nationalsozialisten als „lebensunwert“ galten. Ziel dieser unmenschlichen Taten war die sogenannte „Reinhaltung des deutschen Blutes“ als Teil der NS-Ideologie.
Die Studentinnen auf die elf Kinderakten, die aus Zwickau stammten. Diese Dokumente waren der Ausgangspunkt ihrer intensiven Auseinandersetzungen mit den Schicksalen der Kinder. Sie wollen sicherstellen, dass die Namen der Opfer nicht Vergessenheit geraten. Deshalb lag der Schwerpunkt des Vortrags auf dem Thema „Kindereuthanasie“.
In Gruppen und anhand von Dokumentenakten informierten wir uns über sechs Personen: über Mediziner und über einzelne Kinderschicksale. In Bezug auf die Mediziner bekamen wir Einblicke in die Biografien von Dr. Rudolph Horn, Dr. Dorothea Dillner, die fast 40 Jahre als Stadtärztin in Zwickau arbeitete, und Dr. Werner Julius Eduard Cartel. Unter den Einzelschicksalen fanden wir die Namen von Paul Siegfried Barthel und Editha Lucie Kasper. Auch ihr Leben nahmen wir genauer unter die Lupe. Neu für uns: Das Gesundheitsamt war eine „Erfindung“ der Nationalsozialisten, sie führten es ein. Frau Dr. Dillner baute in den 1920-er Jahren die Mütterberatung auf, widmete sich der TBC-Bekämpfung − sie war aber auch in das System der „Euthanasie“ verwickelt.
Wir erfuhren über das „Kinder-Euthanasie-Zentrum“ in Leipzig-Dösen. Dieses Zentrum war eines der Orte, an denen Kinder ermordet wurden. Dort wurde jeglicher Kontakt zwischen den Familien und den Kindern unterbunden, ja verboten. Damit sollten die Verbrechen im Verborgenen bleiben. Die Angehörigen hatten keine Möglichkeit, sich für ihre Kinder einzusetzen.
Am Schluss stellten wir unsere Ergebnisse vor, bevor wir sie gemeinsam auswerteten. Dies regte viele von uns dazu an, über die Motive, die Verantwortung und Schuld der Mediziner sowie die Konsequenzen für die Gesellschaft nachzudenken.
In der Fragerunde konnten wir uns austauschen. Fragen wie „Wie bedrückt fühlen ihr euch jetzt?“, „Sollten wir den Opfern weiterhin gedenken?“ oder „Was können wir tun, um solche Verbrechen in Zukunft zu verhindern?“ standen im Mittelpunkt. Diese Diskussionen machen deutlich, wie wichtig es ist, aus der Vergangenheit zu lernen.
Wir bedanken uns bei Una Gotthard, Laura Franziska Lesch und Prof. Dr. Beate Mitzscherlich für diese besondere Geschichtsstunde.
Moritz Blechschmidt und Nasim Star
Wir danken Prof. Dr. Beate Mitzscherlich, Una Gotthardt und Laura Franziska Lesch (WHZ, Fakultät Pflege- und Gesundheitswissenschaften)
Fotos: D. Seichter