Am 11. Mai 2022 bot sich den Schülerinnen und Schülern der 11. Klassen eine besondere Chance: Nirit Ben-Joseph und ihren Sohn Joel waren zu Gast bei Schule im Dialog. Wir begrüßten auch Frau Büchel, stellvertretend für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Dresden.
Nirit Ben-Joseph stammt aus Israel und lebt seit 1987 in Deutschland. Sie studierte Film- und Kommunikationswissenschaften und entschied sich später, als Reiseleiterin in Berlin zu arbeiten. Neben Führungen für Touristen und Schulklassen gestaltet Frau Ben-Joseph Rundgänge für Gäste der israelischen Botschaft in Deutschland. Darüber hinaus ist sie freiberufliche Reiseleiterin im Haus der Wannsee-Konferenz, Autorin und Produzentin für Dokumentarfilme. Ihr Sohn, Joel Ben-Joseph, ist in Deutschland geboren und studiert Philosophie und Englisch auf Lehramt in Berlin. Die Geschichte der Juden in Deutschland und der Antisemitismus treiben Nirit Ben-Joseph seit ihrer Ankunft 1987 um. Sie selbst begab sich auf Spurensuche in Berlin, wo ihre Familie vor der NS-Zeit zu Hause war.
Nach wenigen Minuten war auf der Bühne ein ausgesprochen sympathisch-lebendiger, offenherziger Dialog zwischen Mutter und Sohn über die Frage „Wo beginnt Antisemitismus?“ im Gange. Bemerkenswert: So vertraut beide nebeneinander saßen, Frau Ben-Joseph betrachtet Antisemitismus aus einem anderen Blickwinkel als ihr Sohn, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Wir erfuhren, beide sind keine religiösen Juden, sondern vielmehr „Feiertagsgläubige“. Joel nennt sich schmunzelt einen „Geschichtsjuden“. Politisch engagiert sind sie beide. Auf Nirits neuen Film sind wir schon jetzt gespannt: Es geht um Antisemitismus in der DDR.
Schon nach kurzer Zeit konnten die Schülerinnen und Schüler ihre Fragen loswerden. Diese drehten sich um die Gefahren durch Extremismus, um Prävention vor Antisemitismus, um Hetze gegen Juden in den sozialen Medien. Joel schilderte erstaunlich persönliche Erlebnisse in seiner Schulzeit und im Alltag. Nirit Ben-Joseph verknüpfte Themen der jüdischen Geschichte mit aktuellen Ereignissen, z. B. mit dem von der Lufthansa (unbedacht) ausgesprochenen Flugverbot für eine Gruppe orthodoxer Juden, die das Maskentragen verweigerten.
Mit zahlreichen, gleichsam spannend wie leidenschaftlich vorgetragenen Anekdoten aus dem eigenen Erleben offenbarte Nirit Ben-Joseph, das Problem sind die Vorurteile, die sich in der Gesellschaft etablieren konnten. Und, ja, der Holocaust spielt in ihrer Familie eine zentrale Rolle. Gerade erst hatte sie mit ihrer israelischen Tante und vier Cousinen das Urnenfeld ausfindig gemacht und besucht, auf dem ein Onkel ruht, der in Ravensbrück ermordet wurde. Natürlich gibt es Angehörige in Israel, die es noch immer nicht fassen können, dass Nirit mit ihrer Familie im Land der Täter lebt. Am Schluss zeigten sich Mutter und Sohn zuversichtlich: Ein friedliches Zusammenleben der Kulturen in Deutschland kann und wird funktionieren. Vielleicht lag es an den beiden ausgesprochen sympathischen Gästen. Diese tröstliche Mischung aus Realismus und Optimismus wirkte ansteckend und ermutigend.
Emanuel Yang
Diese Veranstaltung förderte die Konrad-Adenauer-Stiftung/Politisches Bildungsforum Sachsen
Fotos: D. Seichter