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Heinz Eggert: Vom 17. Juni 1953 bis zum Prager Frühling ‒ Widerstand in autoritären Systemen und die Bedeutung der Freiheit

Am 23. Mai besuchte Heinz Eggert „Schule im Dialog“. Pünktlich 18.00 Uhr begann die von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützte Veranstaltung in der Aula, begrüßt durch Eva Yang am Klavier:  mit einem Musikstück von Händel. Linus Merz führte in das Thema ein und stellte den Gast vor. Im Publikum saßen die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 10 und 11 sowie etliche Stammgäste. Diese Veranstaltung fand im Rahmen des anstehenden 70. Jahrestages des Volksaufstandes am 17. Juni statt.

Linus begann, indem er an Herr Eggert allerlei Fragen richtete, wie beispielsweise, was seine letzte gute Tat gewesen sei. Darauf antwortete der Gast amüsiert, dass er seinen Enkeln Geld ‒ eine große Summe Geld ‒ für den Rummel gegeben hatte. Er wollte seinen neun Enkeln, fünf Urenkeln und zwei Ururenkeln einen schönen Ausflug bieten. Dann sprach er zum Thema: der Prager Frühling, das Leben in der DDR und die Volksaufstände in den 1950-ern. Er berichtete über seine Erfahrungen mit dem SED-Staat. Am 17. Juni 1953, als Eggert gerade einmal sieben Jahre alt war, brach aufgrund der schlechten Versorgung im Land und der Unzufriedenheit der Bürger der Volksaufstand in der DDR los. Es war ein Arbeiteraufstand, nachdem die SED an die Arbeiter hohe, fast unerfüllbare Erwartungen gestellt hatte. Herr Eggert meinte, die Versorgung sei noch schlechter gewesen als zu Kriegszeiten, die Lebensmittelmarken garantierten nicht genügend Lebensmittel. Sowjetische Panzer schlugen den Aufstand nieder, und Demonstranten verloren ihr Leben. Es kam zu 1.600 Verhaftungen und zwölf Hinrichtungen. Die Verhafteten kamen anschließend in sowjetische Lager, wurden dort gefoltert oder sogar getötet. In der DDR wurden auch unzählige Kirchen aufgelöst. Menschen, die offen mit ihrem Glauben umgingen, durften weder ein Abitur ablegen noch studieren. Herr Eggert berichtete vom Schicksal einer ehemaligen Mitschülerin, deren Vater Pfarrer war. Ihr wurde das Abitur verwehrt.

Eggert war als Kind Mitglied der Pioniere und in allen staatlichen Organisationen. Er pflegte auch deutsch-sowjetische Freundschaft und das, obwohl er nicht einmal persönlich einen Russen kannte. In der Deutschen Demokratischen Republik, zu der Eggert meinte, dass sie nur deutsch war und nicht demokratisch, schon gar keine Republik, hatte man sich unterzuordnen und keine Möglichkeit, sich gegen das System zu stellen. In der 8. Klasse sei er von der Schule geflogen. Nicht, weil er so schlecht war, sondern, weil er zu oft gar nicht erst dort erschienen wäre ‒ eine „geheime“ Info, die nicht auf Wikipedia zu finden wäre ‒, wie er schmunzelnd ergänzte. Nach dem Schulabbruch war Heinz Eggert auf dem Bau als Hilfsarbeiter beschäftigt, bis er eine Lehrstelle bei der Eisenbahn bekam und zum Fahrdienstleiter aufstieg. In seiner Zeit bei der Eisenbahn lernte er zwei ältere Damen kennen, die ihn nach Prag einluden. So reiste er im Frühjahr 1968 nach Prag und war fasziniert von allem dort. Es gab sogar Jeans zu kaufen, die es in seiner Heimat nicht gab. Die Sowjetunion verbot Jeans, da sie vom „Klassenfeind“, den USA, kamen. Auch Beatles-Filme konnte man dort sehen. 

Eggert zeigte die Vorzüge der heutigen Zeit auf, in der es unabhängige Gerichte, Anwälte für Angeklagte und, für ihn besonders wichtig, Meinungsfreiheit gibt. Auch Presse- und Reisefreiheit gehören dazu. Während eines Nachtdienstes hörte er heimlich NDR, einen in der DDR verbotenen Radiosender, und erfuhr so, dass die UdSSR in Prag eingefallen war und den Wenzelsplatz mit Panzern belagerte. Die Leute von der Bahn setzten ein Schreiben auf, in dem sie ihre Unterstützung für die „Freunde“ aus der Sowjetunion beteuerten. Eggert unterschrieb nicht. Auch später, als ihm zu seiner Hochzeit eine zweite Chance geboten wurde, verweigerte er die Unterzeichnung. Also wurde er von der Staatsmacht mitgenommen, auch sein Elternhaus wurde durchsucht. Den Bahnhof Warnemünde durfte er fortan nicht mehr betreten, denn das Terrain galt als Grenzgebiet, wegen der Fähren nach Dänemark und Schweden. Eggerts Ehefrau und ein Theologie-Student brachten ihn darauf, Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden.

Linus Merz eröffnete die Fragerunde. Die erste Wortmeldung aus dem Publikum stammte von einem 79-Jährigem, der Eggert zustimmen wollte und seine Aussagen mit seiner eigenen Lebenserfahrung bestätigen konnte. Danach fragte ein Schüler, wo Herr Eggert am Tag des Mauerfalls war. Er sei auf einer Demonstration für Freiheit und Demokratie gewesen, berichtete Eggert. Plötzlich habe ein Freund ihm zugerufen, die Großmutter hätte gerade gesagt, die Mauer wäre gefallen. Doch alle, die an der Demo teilnahmen, hielten das für ein Gerücht. Sie schenkten ihm keine Bedeutung. Dann aber bestätigte sich das Unfassbare und alle waren verblüfft. Eggert erinnerte sich, dass er eine Stunde nach Mauerfall immer noch geweint hatte und nur durch die tröstenden Worte seiner Frau damit aufhören und die „unglaubliche Nachricht“ verdauen konnte.

Auch Frau Bergmann stellte eine Frage: Was sei aus der Bürgerbewegung der DDR, aus den Mitgliedern geworden und ob noch Kontakt zueinander bestehe? Eggert bestätigte dies, trotz getrennter Wege nach der Wiedervereinigung und des Eintritts in verschiedene Parteien habe man sich nie aus den Augen verloren. Ein Schüler wollte wissen, wann Schüler politisch aktiv werden sollten. Eggert antwortete locker: „Ich werde einen Teufel tun, darauf zu antworten.“ Vielmehr müssten die Schüler eigene Themen finden und handeln: wann und wofür sie es für richtig halten. Er würde niemals vorschreiben, wann andere aktiv werden sollen oder ihnen vorschreiben, in welche Richtung sie sich wenden sollten. Die nächste Frage drehte sich darum, wie weit Toleranz gehe und ob man sich gegen eine andere Meinung stellen sollte? Eggert sagte, ein Mensch müsse immer toleriert werden, Gewalt sei niemals eine Lösung, aber es müssten auch Grenzen gezogen werden. Man dürfe die Toleranz niemals zur eigenen Schwäche werden lassen, sondern die eigene Meinung auch vertreten, wenn andere sie nicht teilen.

In der letzten Frage ging es um die politische Lage in Sachsen. Eggert meinte, die Menschen hätten große Enttäuschungen von der Politik erfahren, oft hätten sich die eigenen Wünsche nicht erfüllt. Und aus der Enttäuschung heraus würden sie handeln, wie sie handeln. Er verglich das mit einer Ehe. In einer guten Ehe wird es Zeiten geben, in denen die Partner vergessen, was sie einst zusammenführte. Und irgendwann müsse man sich klar machen, was sie miteinander verbindet und was sie noch zusammenhält. So ist das auch mit dem Menschen und der Politik. Der Mensch wird erkennen, was er Gutes von der Demokratie hat, und nach anfänglicher Unzufriedenheit wird er Positives deutlicher sehen und zu schätzen wissen. Damit endete die 90-minütige Veranstaltung. Linus Merz bedankte sich bei allen, und Heinz Eggert fügte hinzu: „Anwesenheit ist nichts, wenn man nicht darüber nachdenkt.“ Mit diesen Abschlussworten verließen die Gäste die Veranstaltung mit neuen Informationen, über die sie nachdenken konnten.

Lisa Schubert/10a

Fotos: D. Seichter

Diese Veranstaltung förderte die Konrad-Adenauer-Stiftung/Politisches Bildungsforum Sachsen.

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